Das Leben in der Gehörlosenkultur

Der Offizielle Club Abend am 19.02.2024 wurde von Frau Nicole Schawaller gestaltet. Frau Schawaller ist 1. Vorsitzende des Gehörlosenvereins "Hegau Bodensee" Singen e.V. Zusammen mit ihrem Kollegen Matthias Fuchs führte sie auf beeindruckende Weise die Lions in die Welt der Gehörlosen ein.

Bis auf zwei der anwesenden Lions waren alle anderen noch nie mit diesem Thema als Betroffenen konfrontiert worden. Club Präsident Thomas Kleinstück und Past Präsident Jürgen Gabele wuchsen jeweils in einer Familie auf in denen Vater und Mutter, bzw. nur eines der beiden Elternteile gehörlos waren. Dass diese besondere Situation auch starke Auswirkungen auf das Erwachsenwerden der Kinder dieser Familien hat, wurde von Schawaller eindrücklich erläutert.

Taube Menschen gab es vermutlich so lange, wie die Menschheit existiert. Etwa 0,02 Prozent der menschlichen Bevölkerung ist entweder taubgeboren oder ertaubt vor dem 19. Lebensjahr. Davon wiederum sind zwischen fünf bis zehn Prozent erbbedingt von einem oder beiden tauben Eltern. Gegenwärtig wird geschätzt, dass von der deutschen Gesamtbevölkerung (ca. 80 Millionen) etwa 14 Millionen eine Gehör-Beeinträchtigung haben. Etwa 80.000 davon sind taub, von denen wiederum etwa 35.000 eingetragene Mitglieder der Vereine des Deutschen Gehörlosen Bundes sind. Obwohl taube Personen – wie aus den Zahlenangaben schon ersichtlich – sehr verstreut unter der Bevölkerung leben, haben sie untereinander dennoch stabile Gemeinschaften aufgebaut und verbringen die Zeit außerhalb des Berufslebens überwiegend unter ihresgleichen.

Das wesentlichste Merkmal der Gehörlosenkultur in vielen Ländern ist die Gebärdensprache, die – als eine visuell wahrnehmbare und manuell produzierte natürliche Sprache – insbesondere von nicht hörenden und schwer hörenden Menschen zur Kommunikation genutzt wird. Die Gebärdensprache gilt als Muttersprache der Gehörlosen. Wie allerdings die Geschichte der Gebärdensprache zeigt, war die Gebärdensprache als solche insbesondere im schulischen Bereich und teils auch im Ausbildungsbereich früher jahrzehntelang nicht anerkannt und wurde geradezu geächtet. Pädagogen war es seit Ende des 19. Jahrhunderts verboten, in Gebärdensprache zu unterrichten. Vorherrschende Meinung in fast allen Ländern der Welt war, dass Gehörlose sich besser im Lippenablesen und Artikulieren üben sollten.

Die ersten Aufzeichnungen über Gebärdensprache in Europa stammen aus dem 17. Jahrhundert. Im 19. Jahrhundert wurden die ersten Schulen für gehörlose Kinder in Deutschland gegründet. Diese Schulen bildeten eine wichtige Rolle bei der Entwicklung und Standardisierung der Deutschen Gebärdensprache (DGS). Während des größten Teils des 20. Jahrhunderts wurde allerdings die DGS in dem meisten Schulen und Institutionen nicht offiziell anerkannt. Erst im Jahre 2002 wurde die DGS durch das Behindertengleichstellungsgesetz offiziell als Sprache in Deutschland anerkannt. In der Zeit bis zur offiziellen deutschlandweiten Anerkennung der DGS blieb die Entwicklung weitgehend den Bundesländern überlassen, so dass sich bis heute regionale Unterschiede erhalten haben.

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Nach einer kurzen Demonstration der wichtigtigsten Gebärden, dankte der Präsident den Vortragenden auch im Namen seiner anwesenden gehörlosen Mutter, und leitete dann zum letzten TOP des Tages über, die Ehrung der vier Jubilare: Tom Leonhardt-20, Rolf Tränkle-15, Michael Bingeser-30 und Helge Jäckle-25 Jahre  für insgesamt 90 Jahre Mitgliedschaft. 

Frau Schawaller (vorne rechts) im Gebärdensprache-Dialog mit ihrem Kollegen Matthias Fuchs (vorne links) | Lions Club
Die Jubilare von links: Tom Leonhardt, Rolf Tränkle, Michael Bingeser und Helge Jäckle neben Präsident Thomas Kleinstück | Lions Club