Besuch eines außergewöhnlichen Museums

Heinz Brennenstuhl, 1. Vorsitzender des Vereins für jüdische Geschichte Gailingen e.V., hat es persönlich übernommen die Gruppe vom Lions Club Radolfzell-Singen durch das Jüdische Museum Gailingen zu führen. Mit viel Detailwissen und Empathie führt Herr Brennenstuhl die Gruppe durch eine für die Juden in Deutschland schicksalhafte Zeit, die nie zu enden scheint. Gerade die hier auch gezeigten Einzelschicksale, verdeutlichen in bedrückender Weise den Druck und die Erniedrigungen, dem die jüdische Bevölkerung, totz des gewährten Aufenthaltsrechts, ausgesetz war. Ein "Ort des Erinnerns" der beindruckt und nachdenklich stimmt. Besuch absolut empfehlenswert!

Das Jüdische Museum in Gailingen hat seinen Sitz im ehemaligen jüdischen Schulhaus, das auch Sitz des Bezirks-Rabbiners und des Kantors, dem "Herz" der großen jüdischen Gemeinde Gailingen, war. Heute ist es Sitz des Vereins für jüdische Geschichte, der auch Träger des Museums ist, und sowohl Veranstaltungen als auch Führungen durch das jüdische Galingen (Häusergeschichte - Jüdischer Friedhof - ehemaliges Pflegeheim Friedrichsheim) organisiert, und eine Genealogische Datenbank unterhält. Das Museum zeigt einen Querschnitt durch die 300 -jährige Geschichte des jüdischen Lebens in Gailingen, Randegg, Worblingen und Wangen. Das Museum versteht sich als Gedenkstätte und Ort der Erinnerung.

In Gailingen, das bis zum Anfang des 19. Jh. zur vorderösterreichischen Landgrafschaft Nellenburg gehörte, bestand bis 1938/40 eine bedeutende jüdische Gemeinde. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 17. Jahrhunderts zurück. Seit 1657 wurden jüdische Familien am Ort aufgenommen. Die ersten Schutzbriefe wurden am 20. September 1657 von der damaligen Gailinger Ortsherrschaft, den Freifrauen von Reinach mit Zustimmung des nellenburgischen Landvogtes für sechs Juden und ihre Familien ausgestellt. Möglicherweise sind diese jüdischen Familien - zumindest teilweise - aus der Herrschaft Schellenberg (Liechtenstein) zugewandert, wo die Juden 1651 ausgewiesen worden waren. Den jüdischen Familien wurde gestattet, "alle ihre jüdischen Zeremonien" ungehindert ausüben zu dürfen und einen Rabbiner, Schulmeister und Vorsänger zu halten. Bis Anfang des 19. Jahrhunderts unterstanden die jüdischen Familien zwei Schutzherren: den reichsritterschaftlichen Ortsherren einerseits und dem Landesherren (vorderösterreichische Landgrafschaft Nellenburg).  Die jüdischen Familien lebten ursprünglich vom Handel mit Vieh, Waren aller Ort und vom Geldverleih.

Zu Beginn des 19. Jh. stieg die Zahl der jüdischen Einwohner von 88 auf auf 725 am Ende des Jahrhunderts. Zu den Einrichtungen der jüdischen Gemeinde zählten zu dieser Zeit eine Synagoge, eine Schule, ein rituelles Bad, der Firedhof, ein israelitisches Krankenhaus und das Alters-, Pflegeheim Friedrichsheim.

1933 lag der jüdische Bevölkerungsanteil in Gailingen gerade noch bei 20% (314 Juden). Anlässlich der Reichspogromnacht am 10 November 1938, wurde die Synagoge von Gailingen teilweise in Brand gesetzt, schwer demoliert und später Stein für Stein abgetragen. Zwei Gedenksteine erinnern noch heute an die Zerstörung der Synagoge. Am 22. Oktober 1940 wurden alle badischen Juden nach Gurs (Südfrankreich) deportiert. Damit endet auf schreckliche Weise die fast 300-jährige jüdische Geschichte Gailingens.

Ab März/April 1942 wurde als Ergebnis der Wannseekonferenz vom 20. Januar 1942 die große Mehrheit dieser Deportierten über das Transit-KZ Drancy bei Paris nach Auschwitz, Sobibor und Majdanek verbracht und dort ermordet.

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Heinz Brennenstuhl, 1. Vorsitzender des Vereins für jüdische Geschichte Gailingen e.V. (re)